Entsorgung – Recycling – Containerdienst

Türkische Recyclingbranche verspricht steiles Wachstum

Modernes Abfallmanagement bietet vielfältige Geschäftschancen / Von Necip C. Bagoglu

 

Istanbul (gtai) – Private Unternehmen und kommunale Gebietskörperschaften in der Türkei investieren immer mehr in Abfallmanagementprojekte. In den kommenden Jahren rechnet das Umweltministerium mit Ausgaben von rund 8 Mrd. Euro in diesem Bereich. Um Vorhaben der Recyclingindustrie besser fördern zu können, hat die Regierung einen Strategie- und Aktionsplan geschaffen. Für ausländische Unternehmen dürften sich interessante Kooperationschancen ergeben. (Kontaktanschriften)

 

Der türkische Recyclingmarkt besitzt ein immenses Wachstumspotenzial. Denn bislang werden nur 7% aller anfallenden Abfälle im Land wiederverwertet, so die Angaben der türkischen Recycling-Föderation (Geri Dönüsümcüler Birligi Federasyonu). Eine kommerzielle Recyclingindustrie ist also noch kaum vorhanden. Expertenschätzungen zufolge erreicht der Abfallverwertungsmarkt ein jährliches Umsatzvolumen von circa 5 Mrd. Euro. Weil die Branche jedoch noch in den Kinderschuhen steckt, sind verlässliche Statistiken nur schwer erhältlich. Das Ministerium für Umwelt und Stadtplanung prognostiziert für die kommenden Jahre Investitionen im Umfang von 7 Mrd. bis 9 Mrd. Euro. Die Nachfrage nach Beratungs- und Planungsleistungen sowie nach technischer Ausrüstung dürfte also bald deutlich zunehmen.

Private Unternehmen entdecken Recyclingpotenzial

 

Die meisten Investitionen im Bereich des Abfallmanagements kämen zurzeit von kommunalen Gebietskörperschaften, sagt Muhammet Sarac, Präsident des Verbandes für Abfall- und Umweltmanagement TAYCED. Doch auch private Firmen, darunter Sabanci Holding, ITC (Invest Trading Consulting), Eren Holding, Icdas und Inci Holding, investieren vermehrt in Recyclingprojekte. So wird ITC laut Vorstandsvorsitzendem Ali Kantur insgesamt 750 Mio. US$ ausgeben, um neue Kraftwerke in Antalya, Alanya und Aksaray zu bauen. Sie sollen mit Abfall befeuert werden. ITC betreibt zurzeit 18 solche Kraftanlagen mit einer Gesamtkapazität von 46 MW. Rund 90% des angelieferten Mülls werden dort vernichtet.

 

Die Sabanci Holding realisiert in ihren Zementunternehmen Cimsa und Akcansa zurzeit Projekte im Bereich der Energiegewinnung aus Abfällen und Rückständen. Dafür hat die Unternehmensgruppe rund 200 Mio. $ investiert. Die Produktionskosten in den besonders energieintensiv arbeitenden Zementwerken konnten dadurch spürbar reduziert werden. Darüber hinaus werden in elf Provinzen weitere ähnliche Projekte durchgeführt oder sind geplant. Zusammen mit den bereits arbeitenden Anlagen erreicht Sabanci eine Kapazität von circa 200 MW. Fachleute gehen davon aus, dass aus Abfällen Kraftwerkskapazitäten von insgesamt 500 bis 600 MW aufgebaut werden können.

 

Das Papierunternehmen Eren Holding plant 2014 und 2015 neue Projekte zur Verwertung von Altpapier. So will die Firma eine 300 Mio. Euro teure Papierfabrik in Corlu bauen, in der als Rohstoff zu 100% Altpapier eingesetzt werden soll. Vorgesehen ist eine Jahreskapazität von 400.000 t. In ein weiteres Energiegewinnungsprojekt aus Altpapier möchte das Unternehmen 80 Mio. Euro investieren.

 

Die Firma Icdas ist in der Verwertung von alten Eisen- und Stahlprodukten aktiv und besitzt eine Stahlschmelze mit einer jährlichen Verarbeitungskapazität von 5,5 Mio. t. Um eine verbesserte Verwertung des angelieferten Schrotts zu erreichen, will Icdas 10 Mio. $ in ein Schneidwerk investieren. Dort sollen Stahlteile vor der Schmelze zerkleinert werden. Beim Recycling von Eisen und Stahl besteht nach Einschätzung von Fachleuten ein erhebliches Wachstumspotenzial. Weil die Türkei weltweit einer der größten Schrottimporteure ist, sind Wiederverwertungsprojekte in diesem Bereich von großer wirtschaftlicher Bedeutung.

 

Ein hohes Recyclingpotenzial im Eisen- und Stahlsektor bieten ferner die Abwrackwerften im Land. Die Türkei ist nach der VR China weltweit der zweitgrößte Betreiber von solchen Werften. Im Schiffsbauzentrum in Aliaga bei Izmir arbeiten zurzeit 21 Firmen, die schwimmende Stahlkolosse zerlegen und daraus hohe Mengen an Stahlschrott gewinnen, der anschließend an Eisen- und Stahlwerke geliefert wird. Aus den Abwrackaktivitäten wurden 2012 insgesamt 927.000 t Schrott produziert (2009: 298.000 t). Im Jahr 2013 soll die 1 Mio. t-Grenze überschritten werden.

EU-Integration setzt stärkeres Engagement voraus

 

Für eine zusätzliche Dynamik am Recyclingmarkt sorgen neue gesetzliche Bestimmungen im Bereich der Abfallentsorgung, die im Zuge der EU-Integration von türkischen Behörden erlassen werden. So müssen zum Beispiel nach einer Verordnung des Ministeriums für Umwelt und Stadtentwicklung (Cevre ve Sehircilik Bakanligi; http://www.csb.gov.tr) Produzenten von Elektronikware seit Mitte 2013 für ein geordnetes Recycling alter Geräte sorgen. Demnach müssen die Hersteller im Durchschnitt etwa die Hälfte ihrer verkauften Geräte wieder zurücknehmen. Bei großen elektronischen Haushaltsartikeln strebt das Ministerium für 2013 eine Recyclingquote von 65% (2018: 75%) und bei kleinen Geräten von 40% (2018: 50%) an. Für Informations- und Kommunikationstechnikware beträgt die geplante Quote für dieses Jahr 50% (2018: 65%).

Staatlicher Strategie- und Aktionsplan für Recycling

 

Das Ministerium für Wissenschaft, Industrie und Technologie (Bilim, Sanayi ve Teknoloji Bakanligi; http://www.sanayi.gov.tr) hat einen „Nationalen Strategie- und Aktionsplan für Recycling 2013 bis 2016“ erarbeitet. Dieser soll in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Umwelt und Stadtentwicklung umgesetzt werden. Der Plan, der voraussichtlich Anfang 2014 offiziell verkündet wird, enthält nach vorläufigen Verlautbarungen mehrere grundlegende Maßnahmen zur Organisation und Förderung der Recyclingbranche.

 

Dem Vernehmen nach sollen alle Forschungs- und Entwicklungsprojekte sowie Vorhaben zum Technologietransfer zukünftig zusätzliche staatliche Förderungen erhalten. Insbesondere ist die Unterstützung kleiner und mittelständischer Betriebe vorgesehen. Bereits jetzt profitieren Unternehmen, die in Recyclingvorhaben investieren, von Steuer- und Zollvergünstigungen, zum Beispiel beim Import der benötigten Maschinen und Ausrüstungen. Zur Gewinnung verlässlicher Statistiken zur Recyclingbranche plant die Regierung außerdem die Integration sämtlicher Datensysteme der involvierten Institutionen. Sie sollen als Basis für Planungen und praktische Entscheidungen dienen.

 

Nach dem Strategie- und Aktionsplan sollen des Weiteren Staatsunternehmen und Behörden mit den notwendigen Etatmitteln ausgestattet werden, um die geplanten Maßnahmen finanzieren zu können. Darüber hinaus sollen zur Schaffung eines effizienten Abfallmanagementsystems die geltenden Gesetze und Verordnungen in regelmäßigen Abständen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit sorgfältig überprüft werden und gegebenenfalls an die aktuellen Erfordernisse angepasst und ergänzt werden. Schließlich sollen die Einnahmen der Städte und Kommunen aus Müllabfuhr- und Entsorgungsdiensten vermehrt für die finanzielle Förderung von Recyclingprojekten verwendet werden.

 

Starke Impulse für den Recyclingmarkt erwarten Experten auch im Zusammenhang mit dem städtischen Transformationsprogramm, das 2012 von der türkischen Regierung gestartet wurde. In den nächsten 20 Jahren sollen mit Investitionen von 400 Mrd. $ erdbebengefährdete Stadtteile abgerissen und neu aufgebaut werden. Dies bietet ein großes Potenzial für verschiedene Recyclingprojekte. Allein die Wiederverwertung des beim Neubau von Straßen anfallenden Asphalts (Bitumen) bringe Kostensenkungen im Straßenbau von 20 bis 30% mit sich, sagt Erdal Alkis, Vorstandsvorsitzender bei der Recyclingfirma Icon Geri Dönüsüm.

 

Nach Angaben des TAYCED-Präsidenten fallen in der Türkei jährlich 1,2 Mio. t industrielle sowie 100.000 t medizinische und 530.000 t elektronische Abfälle an. Im Verpackungsbereich besteht nach Angaben des Verbandes der Kunststoffindustrie PAGEV ein jährliches Abfallpotenzial von 2,8 Mio. t, wovon wegen unzureichender Erfassung nur 800.000 t dokumentiert werden können. Allerdings wird bei Verpackungsmaterialien nach Angaben der Recycling-Föderation mit rund 20% eine Recyclingquote erreicht, die deutlich über der durchschnittlichen Rate von 7% liegt. So wurden zum Beispiel nach Angaben des Ministeriums für Umwelt und Stadtentwicklung 2012 insgesamt 82.688 t PET-Flaschen eingesammelt und wiederverwertet. Den wirtschaftlichen Beitrag beziffert das Ministerium mit 124 Mio. Türkische Lira (46 Mio. Euro; 1 Euro = 2,72 TL).

 

Derzeit wird noch ein erheblicher Teil der verwertbaren Abfälle informell eingesammelt und an interessierte Abnehmer verkauft. Landesweit ist von rund 500.000 „Straßensammlern“ die Rede, die täglich ihre Runden drehen und nach verwertbarem Material Ausschau halten. Mit der Verbreitung moderner Abfallentsorgungssysteme sollen diese Aktivitäten zunehmend auf industrieller Basis organisiert und betrieben werden. Die Städte und Kommunen sind bei diesem Modernisierungsprozess die treibende Kraft. Bereits in den zurückliegenden zehn Jahren wurde die Zahl der Menschen, die geordnete Müllentsorgungsdienste erhalten, von 19 Mio. auf 55 Mio. erhöht. Damit wurde die Grundlage für die industrielle Verwertung der Abfälle verbessert. Derzeit fallen in der Türkei pro Jahr rund 25 Mio. t Haushaltsabfälle an.

 

Quelle: www.bvse.de