Entsorgung – Recycling – Containerdienst

Gegenwind für die deutsche Kunststoffindustrie

Verlagerungen der Produktionskapazitäten nach Asien / Deutsche bauen Fertigungsstandorte in Schwellenländern aus / Von Sofia Pankratz

 

Deutsche Kunststoffhersteller haben es zurzeit nicht leicht. Die Nachfrage auf dem wichtigsten Absatzmarkt Europa wächst nur verhalten. Dagegen bekommt die Konkurrenz aus den USA kräftigen Rückenwind durch billige Energie und sinkende Rohstoffpreise. Mittelfristig müssen europäische Hersteller mit weiteren Marktverschiebungen in Richtung Asien und den Nahen Osten rechnen. Deutsche Firmen bauen deshalb ihre Fertigungsstandorte in Schwellenländern aus.

 

Deutsche Kunststoffhersteller stehen zurzeit vor zahlreichen Herausforderungen. Die Produktion wächst verhalten, weil die Nachfrage nach Kunststoffen auf dem europäischen Binnenmarkt, dem wichtigsten Absatzmarkt, nur langsam zunimmt. Für das Gesamtjahr 2013 rechnen die Unternehmen mit einer Produktionssteigerung um 1,5%, so Dr. Josef Ertl, Vorstandsvorsitzender des Verbandes PlasticsEurope Deutschland. Eine ähnliche Entwicklung wird für 2014 erwartet. „Aufgrund des schwierigen wirtschaftlichen Umfeldes und insbesondere der zahlreichen Unwägbarkeiten rund um den Euro blicken wir verhalten optimistisch in die Zukunft“, schlussfolgert Ertl.

 

Während in Deutschland steigende Stromkosten die Kunststoffproduktion verteuern, erstarkt die Konkurrenz aus den USA angesichts des neuen Rohstoffreichtums. Schiefergas habe Kunststoffunternehmen jenseits des Atlantiks günstige petrochemische Rohstoffe und billige Energie beschert und das habe zur Gründung eines neuen petrochemischen Hubs geführt, erklärt Dr. Ertl gegenüber Germany Trade and Invest. Auch Prof. Bernhard Rieger von der Technischen Universität München weiß: „Der Schwerpunkt der aktuellen Entwicklung liegt schlicht auf der wirtschaftlicheren Herstellung von Standard- und technischen Kunststoffen.“ In Europa konzentrierten sich die Firmen auf Innovationen, um sich am Weltmarkt zu positionieren. Die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und in Europa lebt daher nicht zuletzt von den hier existierenden Clustern und der engen Kooperation zwischen Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

 

Dennoch müssen sich europäische Kunststoffhersteller darauf einstellen, dass sich die Kunststoffmärkte mehr und mehr in Richtung Asien und in den Nahen und Mittleren Osten bewegen. Weil in den Schwellenländern der Kunststoffverbrauch am stärksten wächst, entstehen neue Produktionskapazitäten zunehmend dort, und weniger in den gesättigten Märkten der Industrienationen. So wird beispielsweise die weltweite Polypropylen-Kapazität von aktuell rund 62 Mio. auf 83,5 Mio. t im Jahr 2019 steigen, wie aus einer Studie des Beratungsunternehmens Ceresana hervorgeht. Rund 57% dieser Kapazitäten werden voraussichtlich im asiatischen Raum geschaffen. Schon heute ist Asien mit einem Anteil von 44% die stärkste Region in der Weltkunststoffproduktion. Auch beim Verbrauch wichtiger Kunststoffprodukte wie Polypropylen (PP) und Polyvinylchlorid (PVC) sind die Asiaten Spitzenreiter.

 

BASF und Bayer bauen Kapazitäten im Nahen Osten und China aus

 

Um die wachsende Nachfrage in den Schwellenländern besser bedienen zu können, investieren deutsche Chemieriesen wie BASF und Bayer intensiv in neue Produktionsstätten im Nahen Osten und in Asien. So hat BASF kürzlich eine neue Anlage für Customer Specific Blends (CSBs) in Bahrain eröffnet, um die Kunden in den Golfstaaten mit maßgeschneiderten Additiven versorgen zu können. Die Chancen, die in der weltweiten Präsenz ihrer Additiv-Sparte liegen, werde BASF zukünftig noch stärker durch zunehmende eigene Produktion in Wachstumsmärkten wie im Nahen und Mittleren Osten und in Asien sowie durch Investitionen in Produktionskapazitäten für neuartige Additive nutzen, erklärte Dr. Frithjof Netzer, Senior Vice President bei BASF. Darüber hinaus hat der Chemiekonzern seine Produktionskapazitäten für Antioxidantien in Singapur ausgebaut.

 

Das Unternehmen Bayer MaterialScience, eine Tochtergesellschaft des Bayer Konzerns, wird in den kommenden Jahren rund 1 Mrd. Euro in den Ausbau seiner Produktion in Shanghai investieren. So sollen die Kapazitäten für den Polyurethan-Rohstoff MDI mehr als verdoppelt werden: auf 1 Mrd. t pro Jahr, gab das Unternehmen bekannt. Die Produktion des Hochleistungskunststoffs Polycarbonat, der zunehmend im Fahrzeugbau anstelle von Glas verwendet wird, soll auf 500.000 Jahrestonnen gesteigert werden. Zudem wird die Hauptverwaltung des Geschäftsbereichs Polycarbonates vom Stammsitz Leverkusen nach Shanghai umziehen. „Die Erweiterung unserer Kapazitäten in China ist ein wichtiger Schritt, um unsere Präsenz in den Schwellenländern deutlich auszubauen“, so der Vorstandsvorsitzende bei Bayer, Dr. Marijn Dekkers.

 

Polymer-Gruppe investiert in PVC-Extrusionslinie in Russland

 

Auch mittelständische Unternehmen weiten ihre Aktivitäten in Wachstumsmärkten aus. Die zur deutschen Polymer-Gruppe gehörende Tochtergesellschaft Polymer-Chemie Rus nahm beispielsweise im Herbst 2013 eine PVC-Extrusionslinie am russischen Produktionsstandort Tula in Betrieb. Mit dieser Investition will das Unternehmen auch lokal produzierte Hart-PVC-Granulate in westeuropäischer Qualität am russischen Markt absetzen. Polymer Chemie-Rus wurde 2007 zunächst als reine Vertriebsgesellschaft in Moskau gegründet. Im Jahr 2010 startete die Fertigung im Werk Tula, unweit vom Kfz-Produktionsstandort Kaluga. Die Aktivitäten dort konzentrieren sich auf die Herstellung von Hart- und Weich-PVC-Compounds, die als Dryblend oder Granulat geliefert werden. Das Produktionsgebäude ist laut Unternehmensangaben für zehn bis zwölf Compoundieranlagen und eine Jahresmenge bis 100.000 t konzipiert.

 

Über die kürzlich erfolgte Anlagenerweiterung hinaus strebt die Polymer-Gruppe in Russland weitere Compoundieraktivitäten an. Neben PVC-Compounds, die insbesondere im Bauwesen verwendet werden, sollen dort laut Unternehmensangaben zukünftig Polyethylen-Compounds für Verpackungsfolien sowie Polypropylen-, Polyamid- und Polyester-Compounds für die Automobilindustrie produziert werden. Die Polymer-Gruppe strebt mit dem Aufbau des Compoundierstandortes in Tula eine führende Position im russischen Markt an.

 

„K2013“ präsentiert Innovationsfelder für Kunststoffe

 

Themenschwerpunkte der diesjährigen Düsseldorfer Kunststoffmesse „K2013“, die im Oktober abgehalten wurde, waren nachhaltige Lösungen, mit denen der Ressourcenverbrauch und die Prozesskosten minimiert werden können. Dabei standen bei den Erzeugern die Automobilindustrie, Elektrotechnik/Elektronik und Verpackung im Mittelpunkt. So basieren beispielsweise neue Antriebskonzepte bei Fahrzeugen auf Leichtbaukonstruktionen. Diese Herausforderungen führten nicht nur zum Einsatz faserverstärkter Materialien, sondern erforderten darüber hinaus Kunststoffe, die anstelle von Metallen oder als Metall/Kunststoff-Verbundteile (Hybride) zum Einsatz kommen, sagt der Münchener Prof. Bernhard Rieger, Mitglied des Innovationskreises der „K2013“. Ähnliches gelte für transparente Fahrzeugdächer und andere Karosserieteile.

 

Faser-Kunststoff-Verbund als Werkstoff bietet auch in anderen Anwendungsfeldern zunehmende Einsatzmöglichkeiten. Hierzu zählt beispielsweise der Windenergiemarkt. Der brauche extrem viele Faserverbundstoffe, die in Rotorblättern und in Türmen zum Einsatz kommen, erklärt Peggy Görlitz, Senior Managerin bei Germany Trade and Invest. Auch die Bauindustrie werde zukünftig stärker auf Faserverbundwerkstoffe setzen. Der faserverstärkte Kunststoff soll dann vermehrt für den Brücken- und Schienenbau sowie für den Gebäudebau verwendet werden. Diese seien Themen für die nächsten 20 Jahre, so die Marktexpertin für Kunststoffe.

 

Quelle: www.bvse.de